Wir lieben regionale Vielfalt

Generell halte ich mich von den sogenannten sozialen Medien fern, das ist einfach nicht gut für mein Gemüt (Auf Wiedersehen, Facebook). Manche Trends sind aber einfach nicht zu übersehen. Aktuell spricht gefühlt das halbe Land über ein Video der Supermarktkette Edeka mit dem Titel Wir lieben Vielfalt.

Das Edeka-Video zu Vielfalt

Mehrere hunderttausendmal wurde das Video alleine auf YouTube angeklickt: https://youtu.be/-fHOIZKSUCc?feature=shared Gerade in den letzten Wochen hat das sechs Jahre alte Filmchen einen richtigen Boom erlebt. Das ist vermutlich den aktuellen Demonstrationen gegen Ausgrenzung und Rassismus zu verdanken. In dem Werbefilm geht es darum, dass ohne ausländische Waren unsere Supermärkte fast leer wären. Tatsächlich sieht der Edeka Markt im Video aus wie eine historische Aufnahme aus der DDR: Leere Regale, so weit das Auge reicht.

Vielfalt oder Kapitalismus

Nun ist mir schon klar, dass den großen Lebensmittelkonzernen das Schicksal der heimischen Landwirtschaft wahrscheinlich herzlich egal ist. Wenn es der Gewinnmarge hilft, kauft man eben beim jeweils billigsten Anbieter im Ausland ein. Das ist nicht überraschend. Überraschend ist eher, dass dieser beinharte Kapitalismus in einem eigenen Werbefilm an die große Glocke gehängt wird. Nun, Edeka wird schon wissen, was sie da tun und die Reaktionen auf den Film sind überraschend positiv.

Edeka Schmidt in Schondorf am Ammersee: Wir lieben Vielfalt
Edeka Schmidt, das KaDeWe – Kaufhaus der Westküste

Mich beschäftigt mehr die Frage, ob das Ganze überhaupt stimmt. Einer der Gründe, warum ich so gerne bei unserem Edeka Schmidt in Schondorf einkaufe, ist nämlich das große regionale Angebot. Ich bin also mal mit wachsamem Blick durch den Supermarkt gegangen. Wären die Regale ohne Importwaren tatsächlich so leer, wie es das Video suggeriert?

Bioware aus der Region

Zugegeben, ich habe mir dafür einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht. Jetzt, im Februar, ist das Angebot an deutschem Obst natürlich sehr beschränkt. Übers Jahr betrachtet sieht das etwas anders aus. Schon vor der Tür steht da eine reiche Auswahl an Gemüse und Obst, das nicht nur aus Deutschland, sondern tatsächlich aus der Region kommt.

Wir lieben Vielfalt: Gemüse vom Dominikus-Ringeisen-Werk
Vielfalt aus der Region

Unser Edeka arbeitet schon lange mit der Klostergärtnerei des Dominikus-Ringeisen-Werks aus Ursberg (https://klostergaertnerei.drw.de/), und seit einiger Zeit auch mit dem Biohof Hand und Erde aus Windach (https://handunderde.de/). Bei beiden Betrieben ist mir die dahinterstehende Philosophie ausgesprochen sympathisch, und die Produkte schmecken einfach großartig.

Ananas, Bananen und Kiwis kommen natürlich nicht aus Ursberg oder Windach. Trotzdem wäre die Obstabteilung auch ohne Importware gut gefüllt.

Milch und Fleisch

Ich gehe in den Markt hinein, zu den Molkerei- und Fleischabteilungen. Hier haben die Produkte aus Deutschland ganz klar die Oberhand. Man muss direkt suchen, um importierte Milch, Jogurts oder Steaks zu finden.

Edeka Video: Wir lieben Vielfalt
Wir lieben Vielfalt (Foto © Edeka)

Ein ganz ähnliches Bild bietet sich in den Regalreihen mit Marmeladen und mit eingelegtem Gemüse. Anders als im Video Wir lieben Vielfalt dargestellt, würde man das Fehlen von Importprodukten hier kaum merken. Besser noch: Sehr viele der Gläser kommen nicht nur aus Deutschland, sondern aus der Region, beispielsweise über das Netzwerk Unser Land.

Manche Regale wären leer

Ganz anders sieht es logischerweise im Regal für asiatische Spezialitäten aus. Ohne Importware aus Japan, China oder Thailand würde hier tatsächlich gähnende Leere herrschen.

Asiatische Spezialitäten bei Edeka Schmidt in Schondorf am Ammersee
Dieses Regal wäre ohne Importware tatsächlich leer

Weiter zu den Getränken. Hier sind das Mineralwasser- und Bierangebot fest in deutscher, größtenteils bayerischer Hand. Bei Wein und Schnäpsen dagegen wird es international. Ohne Importe müssten wir auf Barolo, schottischen Whiskey und Grünen Veltliner verzichten. Das würde uns hart treffen, denn auch im Hause Ploner gilt: Wir lieben Vielfalt.

Was ist einheimisch?

Im nächsten Gang komme ich dann ins Stutzen. Ich bin beim Kaffee, und jetzt dämmert mir, dass einheimisch und importiert gar nicht so leicht zu trennen ist. Zwar gibt es auch hier lokale Marken wie die Murnauer Kaffeerösterei oder Henning Böhm. Aber die Kaffeebohnen kommen natürlich nicht aus Landsberg oder Murnau. Sind das nun deutsche oder ausländische Lebensmittel?

Regionale Vielfalt: Kaffee aus regionalen Röstereien in Murnau und Landsberg
Kaffee von regionalen Röstereien

Die gleiche Frage geht mir durch den Kopf, als ich nach der Kasse am Brotstand von Kasprowicz vorbeikomme. Klar, die Bäckerei sitzt in Pähl. Aber wo kommen eigentlich die Inhaltsstoffe her? Sind Weizen, Roggen und Dinkel aus Bayern, oder werden sie aus anderen Ländern importiert? Ist es noch ein regionales Brot, wenn beispielsweise die Backenzyme aus dem Ausland kommen? (Aktualisierung 5. Februar 2024: Inzwischen wurde mir von vertrauenswürdiger Seite bestätigt, dass die Bäckerei Kasprowicz ihr Getreide tatsächlich aus der Region bezieht.)

Meistens kann ich als Kunde diese Lieferketten nicht wissen. Es ist also recht kompliziert, was einheimische und was importierte Lebensmittel sind.

Trotzdem finde ich, dass unser Edeka Schmidt in puncto Regionalität wirklich vorbildlich ist, und damit sehr gut zu Schondorf passt. Wir lieben Vielfalt, und vor allem lieben wir unsere regionale Vielfalt.

1 Gedanke zu „Wir lieben regionale Vielfalt“

  1. Bravo Leo, wieder ein packender und inspirierender Beitrag aus deiner Feder (Tastatur). Ich liebe deine Beiträge und Gedanken. Danke für dein Engagement. Flori

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